Fit oder nicht? Das ist wohl die Frage.
Vermutlich ist es diese Ungewissheit, die aus der üblichen und notwendigen positiven Anspannung eine hinderliche Nervosität werden lassen.
Und so klingelt der Wecker um 4:15 Uhr. Das Frühstück fällt der Nervosität zum Opfer. Ein halbes Brötchen, mehr bringe ich nicht runter. 5:30 Uhr fahren wir in Richtung Startareal. Es ist nicht viel los in Puerto del Carmen, einige Athleten und die letzten Discobesucher teilen sich die Strandpromenade.
Ich gehe erst mal zum meinem Rad. Reifen aufpumpen, Flaschen ans Rad, ein letzter Check. Die Wechselbeutel kontrollieren, noch mal aufs Klo, was trinken, noch mal aufs Klo, ein Blick in den Himmel. Eigentlich kann es losgehen. Es fängt auch bereits an zu dämmern. Allerdings ist es erst 6:10 Uhr. Genug Zeit, um noch nervöser zu werden. So extrem habe ich den Druck noch nie verspürt.
Julia und ich sitzen auf einer kleinen Mauer der Strandpromenade und warten. Einen halben Butterkeks esse ich, die 2. Hälfte landet im Müll. Essen geht gar nicht.
Vielleicht hilft ja ein wenig Jogging? Nein auch nicht. Gegen 6:40 gehen wir runter zum Strand. Wenigstens 100m warm schwimmen, danach stelle ich mich in die Reihe. Natürlich nach dem Abschiedskuss ;-)
Der Startkanal ist nur 3-4 Meter breit und ich stehe in der 7 oder 8. Reihe. Eigentlich ziemlich weit vorne denke ich. Ein Trugschluss. 7 Uhr geht es los und bereits nach der ersten Boje (so ca bei 250m) bildet sich ein Stau und ich komme nicht weiter nach vorne. Ich könnte schneller schwimmen, würde auch gerne schneller angehen, kann es aber einfach nicht. Es werden 2 Runden unterbrochen von einem kurzen Landgang geschwommen. 150m raus, dann links, parallel zum Strand bis zu 2 Wendebojen und wieder zurück.
Der Schwimmstart und die übliche Prügelei
Erst auf dem Rückweg von der ersten Runde beruhigt sich das Feld. Allerdings ist jetzt auch vor mir ein großes Loch gerissen. Nach vorne schwimmen ausgeschlossen. Ich schwimme also brav weiter in meiner Gruppe und komme letztlich nach sehr guten 57 Minuten aus dem Wasser. Es wäre bestimmt 2 Minuten schneller gegangen, aber die eigentliche Herausforderung kommt ja erst.
Die Wechselzone macht dem Bonn-Triathlon starke Konkurrenz. Vom Schwimmausstieg bis zum Ausgang der Wechselzone ist es quasi ein halber Tagesmarsch. Den Strand hoch, vorbei an den Wechselbeuteln, von hinten ins Wechselzelt, Neo aus, selber wegpacken, Startnummer an, Radhandschuhe schnappen und weiter geht’s. Vorbei an ca 40 Reihen von Radständern bis ich endlich an meinem Rad bin, Nummer 537, Helm auf und nochmals etwa 30 Reihen. Dann endlich geht es los.
Ich versuche es zumindest. Aber ehrlich gesagt, geht es vom ersten Moment an nicht wirklich vorwärts. Anfänglich schwere Beine habe ich oft. Nur gibt sich das üblicherweise nach spätestens 30 Minuten.
Heute nicht. Bei Km50 habe ich zwar die Frauenspitze eingeholt, allerdings bin ich froh, dass ich hier mitfahren kann. Mir ist das Tempo ständig 1 bis 2 km/h zu schnell. Gut, ich könnte ja auch einfach langsamer fahren. Allerdings werde ich auch so schon regelmäßig von AK-Athleten überholt. Wenn es mit der Quali was werden soll, muss ich wenigstens das jetzige Tempo halten. Und so quäle ich mich von La Santa nach Soo hoch und weiter gegen den Wind runter ans Meer und wieder hoch nach Teguise und noch weiter hoch zum Mirador de Haria. Mitten in den Wolken, ist es hier oben gut kalt. Inzwischen konnte ich auch das Führungsfahrzeug der Frauen nicht mehr halten und bin relativ einsam auf dem Weg zum Mirador del Rio.Nicht wie in Frankfurt ... hier geht jeder einzeln auf die Strecke
Erst unten am Ende der Abfahrt krame ich ein weiteres Gel aus meiner Eigenverpflegung und stecke ein weiteres schon mal in Reserve in die Rückentasche. Nach 10 Minuten wirkt das Gel. Mein Tempo ist wieder in akzeptable Bereiche angestiegen und ich bewege mich langsam wieder nach vorne. D.h. ich überhole auf den nächsten 20km zwei Fahrer.
Ab Tahiche ist es dann wieder vorbei mit dem Angenehmen. Nach einem 90° rechts Knick wird aus Seitenwind wieder heftiger Gegenwind. Nicht genug, am Ende des Anstiegs geht es weiter über ca. 5km übelsten Asphalt. Gutes Kopfsteinpflaster ist dagegen wirklich angenehm. Bis man dann, bei so ca. km 140, auf die Hauptstraße zurück kommt. Jetzt geht es zwar weiter bergauf, allerdings bei perfekter Straßenqualität und Rückenwind. Und so presse ich auf den letzten 30km auch noch ein komplettes Maxim-Gel in mich rein.
Ein wirklicher Negativpunkt für die Strecke ist die teilweise unbeschränkte Streckenfreigabe für den Verkehr. Besonders auf der Zufahrt nach Puerto del Carmen wird mir das für mich deutlich. Auf einer leichten Abfahrt mit starkem Wind von links kommen mir 3 Reisebusse entgegen. Nachdem mich die erste fast von der Straße putzt, bremse ich freiwillig von 60 auf 40 ab.
Am Ortsrand sitzt Julia am Straßenrand. Sie macht Fotos und ruft mir irgendwas zu. Verstehen kann ich allerdings nichts. Noch 2-3 Schlenker durch den Ort und dann geht es auch schon auf die Uferpromenade und den letzten Kilometer. 5h41 das ist eigentlich eher indiskutabel. Allerdings nicht aussichtslos. Ich muss eben eine gute Laufleistung hinlegen und so mache ich mich auf den sehr langen Weg durch die Wechselzone. Barfuss wohlgemerkt … und natürlich auf Asphalt.
Als ich dann endlich auf der Laufstrecke bin, fühle ich mich ganz in meinem Element. Ich habe einen lockeren Schritt und gute Länge. Die ersten 10km gehen in 45 Minuten weg. Das ist mal ein guter Anfang.
Trinken, trinken, trinken ist das Motto. Es wird langsam wärmer und so muss ich zwangsläufig bei km13 die erste Pinkelpause einlegen. Das erklärt so in etwa die 90 Sekunden langsamere Splittzeit auf den dritten 5 Kilometern. Das sind aber alles Peanuts verglichen mit dem was nun kommt. Bei km17 biege ich auf die Promenade vor unserem Hotel ein. Julia wartet dort an der Strecke. Meine Beine sind ganz schön schwer denke ich noch. Ich muss versuchen mehr zu essen. Bei der letzten Verpflegungszone gab es kein Gel, bei der nächsten muss ich was haben, zur Not Cola. 200m weiter stirbt der Motor ab. Meine Beine sind bleischwer und mir ist schwummrig. Ein klassischer Hungerast.
Das Rennen um die Quali ist in diesem Moment beendet. Ich war zwischenzeitlich von Platz 15 in der AK auf den 12. Platz nach vorne gelaufen. Es hätte also reichen können. Hätte, wäre, wenn interessieren mich aber gerade eher weniger. Ich brauche was zu futtern, jetzt. Es hilft nichts ich muss die 500m gehen. Dort stopfe ich 1 Gel, 8 Orangenviertel und 1 Banane in mich. Dazu gibt es 2 Becher Wasser.
Mir ist schlecht. Ich marschiere weiter und überlege mir, dass das ein verdammt langer Tag werden könnte, wenn ich es nicht mehr schaffe meine Oberschenkelkrämpfe zu beseitigen. Nach weiteren 5km marschieren hat sich mein Körper erholt. Die Energieversorgung funktioniert wieder und als wäre nichts gewesen laufe ich wieder 5:00 pro Kilometer. Nur zum Essen und Trinken brauche ich Gehpausen. In der letzten Runde werde ich sogar noch schneller und schaffe auch wieder 4:45er Zeiten.
Nach 10:45 bin ich im Ziel. Etwas enttäuscht, das muss ich wohl zugeben. Aber letztlich war ich eben nicht schnell genug auf dieser Strecke und werde es vermutlich auch nie sein. Ich bin eben doch eher jemand für Stecken, auf denen man auch mal richtig schnell fahren muss und nicht immer nur bergauf/bergab.
Der Zieleinlauf
Fazit: Lanzarote ist nicht meine Insel. Deshalb ist das Fazit auch ein ganz persönliches und vermutlich etwas zu negativ. Die Strecke ist anspruchsvoll und dank einer Radrunde und nur ca. 1500 Teilnehmern ist Drafting so gut wie kein Thema. Die Organisation kommt mit der Athletenmenge gut zu recht. Ich hätte mir aber mehr Informationen vorab gewünscht.
Die Radstrecke ist nur bedingt abgesperrt und man teilt sich an vielen Stellen die Straße mit dem Gegenverkehr. Das macht die sehr windanfällige Strecke noch schlimmer.
Ähnliches gilt für die Laufstrecke. Es gibt keine Absperrung oder Markierung, die Athleten von Zuschauern trennt. Man läuft viel Slalom.
Das Finish war das langweiligste, das ich je erlebt habe. Sowohl mein eigener Zieleinlauf, als auch die Finishline-Party.